Es ist möglich, dass Frauen besonders anfällig für empathischen Stress sind, weil sie sich schlechter abgrenzen. Die Psychologinnen Vicki Helgesen und Heidi Fritz fanden heraus, dass Frauen eine stärkere Tendenz zu „Unmitigated Communion“ haben. Die deutsche Übersetzung „übermäßige Gemeinschaft“ klingt etwas rätselhaft, bedeutet aber einfach, dass man sich auf andere konzentriert, ohne Rücksicht auf sich selbst.
„Es ist erstaunlich, wie viele Krankheiten, die man häufig bei Frauen beobachtet, damit zu tun zu haben scheinen, dass Frauen empathischer mit und fokussierter auf andere sind“, schreibt Barbara Oakley, Mitherausgeberin des Buches „Pathological Altruism“.
Möglicherweise mag die Gesellschaft empathische Menschen auch deswegen, weil sie sich ausbeuten lassen. Gefühlserschöpfung und Burnout sind unter Menschen, die sich besonders viel um andere kümmern, Mütter, Sozialarbeiter:innen und Pflegekräfte etwa, besonders verbreitet. Nach Angaben des Versicherers AOK gibt es in Berufen in der Haus- und Familienpflege, in der Sozialarbeit und Altenpflege mit die meisten Ausfälle wegen Burnout-Erkrankungen (und das war noch vor Corona, die Statistik ist von 2019). Die Arbeit in diesen Berufen wird außerdem schlecht anerkannt und schlecht bezahlt – weil ihrer Tätigkeit noch die Annahme anhängt, dass Selbstaufopferung ein Lohn in sich sei.
Quellen
Theresa Bäuerlein: Wenn Empathie dich fies und ungerecht macht
Vicki S. Helgeson, Heidi L. Fritz: A Theory of Unmitigated Communion