Dein Gegenüber scheint offen für Feedback. Ihr begegnet euch wohlwollend und auf Augenhöhe. Gute Voraussetzungen für das sachliche Aufklären. Du trittst also ungeschminkt auf und sagst offen und ehrlich, worum es dir geht. Doch du hast in den letzten Newslettern erfahren: Feedback geben ist stets ein Risiko. Wenn du dich unbedacht zu schnell äußerst, verschlimmerst du die Situation. Vermeide daher vor allem eines: reflexhaften Widerstand beim anderen. Es kann auf einzelne Worte ankommen, ob dir dein Gegenüber gewogen bleibt oder sich schlagartig verschließt. Worauf kannst du achten?
In Schritt 1 zunächst auf inhaltliche Aspekte, und zwar auf fünfzehn Erfolgs- beziehungsweise Risikofaktoren. Je mehr du von diesen Faktoren berücksichtigst, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass du ihn nicht »verlierst«. In Schritt 2 achtest du dann auf strukturelle Aspekte. Bau dein Feedback so auf, dass dein Gegenüber dir zu jeder Zeit gerne zuhört. Hau die in Schritt 1 vorüberlegten Formulierungen nicht unbedarft einfach so raus, sondern komponiere sie zu einem passenden Stück. Denke in der Kategorie Musik: Die Noten alleine machen es nicht, es kommt auf die Reihenfolge und das Zusammenspiel an.
Wenden wir uns zunächst den Noten zu, den erwähnten fünfzehn Faktoren, die nach Schwierigkeitsgrad sortiert sind (siehe Tabelle). Alle sind gleichermaßen wichtig, nur lassen sich einige auf Anhieb leichter verstehen und umsetzen. Mit diesen kannst du beginnen, wenn du dich als wenig erfahren im Feedback einschätzt. Und dann Stück für Stück darauf aufbauen. Vielleicht sind dir die meisten der in Kategorie 1 und 2 genannten Faktoren aber auch längst bekannt und du wendest sie regelmäßig an. Prima, dann kannst du dich direkt an Kategorie 3 wagen.
An einer typischen Situation aus dem Berufsleben gehen wir die fünfzehn Faktoren nun einzeln durch: Ein Kollege trifft mit viertelstündiger Verspätung im Meeting ein. Du ärgerst dich. Vor allem auch deshalb, weil der Kollege schon öfter unpünktlich war. Also: Was machst du? Was kannst du ihm wie am besten sagen?
Bevor wir uns das anschauen, noch eine Anregung zum Umgang mit der jetzt auf dich zukommenden Vielfalt und Komplexität: Entscheide am besten beim Lesen der folgenden fünfzehn Faktoren, wann du welche übernehmen willst und kannst. Der sequenzielle Ansatz wäre: Strategie für Strategie. Du würdest also zunächst alle Aufmerksamkeit dem ersten Erfolgsfaktor schenken und über einen bestimmten Zeitraum diesen in deinen Alltag integrieren. Ähnlich wie bei REWE, wo es Mitarbeiter der Woche gibt, wäre es dein Feedback-Erfolgsfaktor der Woche. Der simultane Ansatz: Alle auf einmal. Du pfeifst dir alle fünfzehn rein und beachtest sie alle gleichzeitig. Vorteil: Du hast von allen schon einmal gehört. Nachteil: Du fühlst dich vielleicht überwältigt. Als möglicher Kompromiss: Du strebst eine Mischung an, sequenziell und simultan, und das wäre auch meine Empfehlung. Entscheide beim Lesen, wann die Komplexität ein Ausmaß erreicht, das dich überfordern könnte. Wähle auf diese Weise drei, vier oder vielleicht fünf Faktoren, die du zeitgleich beim Feedbackgeben in einem bestimmten Zeitraum beherzigen willst. Arbeite dich so in Phasen voran, bis du sie alle parat hast. Um hierdurch das Risiko für unerwartete Wendungen und Überraschungen zu minimieren.
Und noch ein Hinweis zu den weiter unten ausgewählten Beispielsätzen: Aufgrund der Komplexität von Feedback werden manche Sätze zwar sehr gut einen bestimmten Risikofaktor repräsentieren können, nicht aber zwingend alle übrigen. Jeder Beispielsatz hat somit lediglich die Aufgabe, einen einzigen Risikofaktor zu veranschaulichen. Ansonsten würden wir die Beispielsätze überfrachten, sodass sie an Klarheit verlieren. Daher betrachte sie als exemplarische Ausschnitte, die lediglich den jeweils ausgewählten Faktor beleuchten und nicht dem Anspruch genügen können, gleichzeitig alle Risikofaktoren zu berücksichtigen und alle erdenklichen Kontexte abzudecken